Schafe

Schäfergeschichten

Was wäre die Heidenheimer Brenzregion ohne die Schäferei? Doch deren Alltag ist mit vielen Herausforderungen konfrontiert und oft wenig romantisch. Umso wichtiger ist es, entlang des Albschäferwegs die Geschichten der Schäferinnen und Schäfer zu erzählen, die ihren Beruf mit viel Idealismus und Leidenschaft ausüben.

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Was verdient ein Schäfer?

Man sollte doch meinen, dass der Schäfer vom Verkauf seiner Tiere, von Wurst und Wolle gut leben kann. Doch dem ist nicht so. Die Schäfer zählen zu den Geringverdienern – auch in der Landwirtschaft. Die Erträge für das Fleisch sind durch die Konkurrenz aus dem Ausland zu gering und die Wolle finanziert, wenn überhaupt, den Scherer. Im letzten Schafreport Baden-Württemberg (2015) wurde ein Stundenlohn von 6,80 Euro ermittelt. 

Wovon also leben Schäfer und Schäferin außer von der Freude am Hüten? Wie auch sonst in der Landwirtschaft sind für den Schäfer die Betriebsprämien wichtig und ganz besonders die Verträge in der Landschaftspflege. Etwa 60% der Einnahmen aus der Arbeit als Schäfer, so der Schafreport, werden durch eben solche Prämien erzielt. Nur wenige haben die Zeit und die Energie, sich eigene und fairer bezahlte Absatzmöglichkeiten zu schaffen. 

Des Geldes wegen wird heute also keiner mehr Schäfer bei einer Bezahlung unter Mindestlohn, niemals Feierabend, Urlaub oder Verdienstausfall im Krankheitsfall. Da spielt die Liebe zum Tier, zur Natur und zum Erhalt der einzigartigen Alblandschaft die größere Rolle!

Schäferin Kerstin Wiedenmann-Riek beim Hüten ©Oliver Vogel

Was gehört alles zum Hüten?

Holger Banzhaf machte sich in seiner Zunft einen Namen beim Leistungshüten. Auf Landesebene gewann er einige Wettbewerbe. Seit mehr als 10 Jahren ist er nun Richter beim Leistungswettbewerb des Landesschafzuchtverbandes Baden-Württemberg und 2018 fand das Bundesleistungshüten auf seinem Hof statt. Zu den Aufgaben beim Leistungshüten gehören: 300 Schafe unter Kontrolle halten, sie aus dem Pferch und im Straßenverkehr führen, sie auf einer großen Fläche so wie einer kleinen hüten – also alles Dinge, die ein Schäfer tagein, tagaus zu tun hat. 

Treue Helfer sind dabei die Hunde. Beliebt sind Altdeutsche Hütehunde und Deutsche Schäferhunde. Ihre Ausbildung dauert etwa drei Jahre und wird vom Schäfer selbst durchgeführt. Ihre Aufgabe ist es, auf Kommando oder von allein die Herde beisammenzuhalten, sie von Straßen und schmackhaften Feldern wegzulenken und sie zu beschützen. 

Zum Hüten gehört auch die Schippe. Auf diese kann sich der Schäfer lehnen, was das Stehen erleichtert. Giftige oder dornige Pflanzen können mit ihr auch ausgestochen werden und den kleinen Haken nutzt der Schäfer manchmal, um seine Schäfchen behutsam einzufangen. Vor Schmutz und Dornen, Wind und Wetter schützt den Schäfer sein schwarzes langes Hemd. 

Wie pfiffig Banzhaf beim Hüten ist, beweist auch die WhatsApp-Gruppe, die er mit den Hundebesitzern im Umkreis hat. Darin informiert er, wo er mit seiner Herde unterwegs ist, sodass es zu keinen Konflikten zwischen freilaufenden Hunden und den Schafen kommt

Wo weiden die Schafe und wie kommen sie dorthin?

Seit jeher sind die Schäfer darauf angewiesen, ihre Schafe so gut wie möglich ohne Stallhaltung versorgen zu können. Solange im vorigen Jahrhundert der Schafdung bei den Bauern noch beliebt war, verdienten sie sogar Geld damit, Äcker im Herbst abzuweiden und die Herde über Nacht dort einzupferchen. Im Winter, wenn das Futter knapp wurde, zogen die Albschäfer auf die sogenannten Winterweiden in mildere Regionen, z.B. an den Bodensee und in die Rheinebene, und hüteten auf den Äckern und Weiden der Bauern. Erst im Frühjahr kamen sie wieder nach Hause zurück auf die Sommerweiden. Der Schäferkarren oder eine Bleibe beim Bauern war dann ihr Zuhause. Bis auf die Unterkunft hat sich diese Form der Hüte- und Wanderschäferei seit Jahrhunderten nicht verändert. Im Gegensatz dazu steht die Koppelhaltung. 

Während des Marschs zur Winterweide waren sie auf gute Triebwege angewiesen, denn die Schafe müssen ja auch unterwegs fressen. Heute wandern nur noch ganz wenige zu den Winterweiden. Die Triebwege sind schwieriger, neue Straßen, Bau- und Gewerbegebiete haben sie zerschnitten und Weideflächen genommen. Auch beim Bauern sind sie nicht mehr so gern gesehen. Wird es für die wenigen verbliebenen Wanderschäfer zeitlich eng oder herrscht auf dem Triebweg Futterknappheit, dann kommt inzwischen auch mal der 

Ein Schaf auf der Heide © Oliver Vogel

Wofür braucht man einen Schafstall und einen Pferch

Schafställe findet man meist in der Nähe der Weiden, außerhalb von Ortschaften. So bieten sie kurze Wege für die Herde mit möglichst wenig zu überquerenden Straßen. Früher waren keine großen Ställe notwendig, die Hüte- und Wanderschäfer waren mit ihren Herden das ganze Jahr über draußen. Auch heute sind sie noch die meiste Zeit draußen, nur wenn ein Schaf krank ist oder lammt, kommt es in den Stall und im Winter nur, wenn der Schäfer nicht auf die Winterweide geht und draußen kein Futter mehr zur Verfügung steht. Die Kosten für die Stallhaltung sind hoch, da das Futter dann den Sommer über gemacht oder sogar zugekauft werden muss.

Nicht ungewöhnlich ist es auch, dass Schafställe von Gemeinden gebaut und dem Schäfer kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Dafür pflegt der Schäfer mit seiner Herde die gemeindeeigenen Wacholderflächen und Magerwiesen. Sobald es die Vegetation zulässt, bleiben die Herden wieder 24 Stunden draußen und ziehen umher. Nachts werden sie auf einem Acker oder auf einer Wiese eingepfercht (heute mit Elektrozaun, früher mit schweren Holzzäunen). Dies dient zu ihrem Schutz und auch dazu, die Überdüngung der Landschaftsschutzflächen zu verhindern. Früher blieb der Schäfer im Schäferkarren und mit Hund bei ihnen. Heute verbringen die Schafe die Nacht allein und der Schäfer fährt mit dem Auto nach Hause. Der Wolf ist in der Gegend zum Glück noch kein Problem.

Schäferin beim Hüten © Oliver Vogel

Steht der Schäfer Wirklich den ganzen Tag Gemütlich auf der Weide?

Trifft man ihn bei seiner Herde an, scheint ein Schäfer oder eine Schä[1]ferin eins mit der Herde und der Natur zu sein – die Ruhe pur. Solch ein romantisches Bild haben wir doch vom Schäferberuf. Doch was steckt wirklich alles dahinter? 

Auf jeden Fall ist der Beruf nicht mit einem »9 to 5«-Büroarbeitsplatz zu vergleichen. Das Leben dreht sich um die Schafe. Am Morgen geht es in den Stall, wo die Mutterschafe mit ihren Lämmern sowie kranke Tiere versorgt werden. Dann ab nach draußen, die Herde aus dem Pferch führen und die ökologisch wertvolle Weidefläche fachmännisch und nach Vorgaben des Naturschutzes abhüten. Gibt es nicht mehr genügend Futter, heißt es weiterziehen, Pferch umsetzen, den Tieren zwischendurch Wasser bringen, Klauen schneiden, unterwegs per Handy alles Mögliche organisieren und das alles bei jedem Wetter, egal wie warm oder kalt, nass oder trocken es ist. Die Tiere sind immer hungrig und jeder Tag, den sie auf der Weide statt im Stall verbringen, spart Geld. 

Im Sommer geht es gegen Abend noch einmal auf die Weide. Sind alle Schafe und der Zaun ok? Haben sie ausreichend gefressen und zum Trinken? Könnten in der Nacht Lämmer zur Welt kommen wollen? Wenn ja, dann kommen die Muttertiere mit in den Stall. 

Unterstützung bekommen die Schäfer von ihren Hunden und große Betriebe können sich Aushilfen leisten, doch bei den meisten muss die ganze Familie mit anpacken. 

Hat man sich für die Eigenvermarktung entschieden, kommt das Schlachten sowie der Vertrieb – online oder über den eigenen Hofladen – hinzu. 

Und dann warten noch die Themen, für die es kein Tageslicht braucht. Büroarbeit: Anträge, Bestellungen, Fristen, Dokumentationen... Die Liste ist noch länger und ein selbstständiger Schäfer braucht eine ordentliche Portion Unternehmerblut. 

Zu allem kommt noch das ganz »normale« Familienleben mit Kindererziehung und Haushalt hinzu und wer dann immer noch ein paar Minuten Zeit hat, der kann im Ehrenamt als Vertreter für die Zunft Interessen gegenüber der Politik bis nach Brüssel vertreten oder er betreibt Umweltbildung, indem Schulklassen und Kindergärten auf dem Hof in Empfang genommen werden. 

Ohne Idealismus und Leidenschaft hält das keiner durch!

Ein Lamm © Guido Serino

Wann ist Lammzeit?

Es hängt von der Schafrasse ab, wann gelammt wird. Der große Vorteil der Merinolandschafe liegt darin, dass sie immer gebärfähig sind. So kann der Schäfer gezielt nach mehreren Faktoren steuern, wann und für wie lange er die Böcke zur Herde lässt. Fünf Monate später kommen die Lämmer auf die Welt. Möchte er zu Ostern Milchlämmer verkaufen, taktet er die Geburten so, dass die Lämmer zwischen 2 und 6 Monaten alt sind. Zum Sommeranfang kommen die Lämmer auf die Welt, die im Herbst verkauft werden sollen. Auch das Weideverhalten spielt eine Rolle. Sind die Schafe im Winter draußen, sollten sie nicht unbedingt lammen, um die Neugeborenen vor der Kälte oder auf Wanderschaft vor zu langen Märschen zu schützen. 

Auf die Frage hin, wie es sei, die Lämmer zu essen, denen man selbst auf die Welt geholfen und die man großgezogen hat, antwortete eine Schäferin mit der Gegenfrage, wie man denn Tiere essen könne, bei denen man nicht weiß, wie und wo sie gelebt und was sie gefressen haben. 

Zum Lamm isst man in der Region gern Heidenheimer Knöpfle. Das sind im Wasser gegarte Hefeklöße. In den traditionellen Gasthöfen der Region findet man beides auf den Speisekarten.

Wie funktioniert das Scheren und was passiert mit der Wolle?

Schon lange geht es bei der Schafschur nicht mehr darum, Gewinne aus dem Wollverkauf zu erzielen, sondern vielmehr um die Gesundheit und das Wohlergehen der Tiere. Die alte Winterwolle wird den Schafen abgenommen, sobald sie in den Stall ziehen oder von der Winterweide zurück sind. Das reaktiviert die natürliche Schutzfunktion der Haut und verhindert die Überhitzung im Sommer oder im Stall. Was früher Aufgabe der Frauen war, erledigen heutzutage professionelle Scherer – und zwar in Akkordzeit. Zur Verfügung stehen Schermaschinen und gelernte Technik, um das Schaf ruhig zu halten. Wie beim Hüten gibt es auch unter den Schafscherern Wettbewerbe, die sogenannten Schafschurmeisterschaften. 

Der Verkauf der Wolle deckt inzwischen lediglich die Unkosten. Der Wollpreis auf dem Markt ist einfach zu niedrig. Die Qualitätsansprüche sind gestiegen, die Konkurrenz aus Australien und Neuseeland ist unschlagbar. Die Wolle des Merinolandschafs ist nicht die feinste, aber für Socken, Wolldecken, Filz und manch gröberes Kleidungsstück gut verwertbar. 

Nach dem Scheren kauft z.B. die Firma Seybold aus dem nahe gelegenen Lauingen an der Donau Wolle auf, sortiert und presst sie. Da die nächsten Arbeitsschritte wie Waschen und Kardieren vor allem in Asien (China) erledigt werden, muss der größte Teil dorthin. Nur noch wenige und kleine weiterverarbeitende Betriebe gibt es in Europa. Doch es gibt Hoffnung! Immer öfter entstehen Wollprodukte von der Alb bei kleinen Produzenten, wie hübsche Kleidung von Alb Merino und albnah, Wollgarn von Tutto aus Hechingen, sonnenalbfilz, Filzsattel aus Ballmertshofen und einige andere. Wie so oft entscheiden wir Verbraucher mit unserer Kaufentscheidung, wo die Wolle in Zukunft verarbeitet wird!

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